Mein größter Weihnachtswunsch: Dass Corona endlich verschwindet!
Seit Monaten Ausnahmezustand: Viertklässler der Grundschule Am Schildberg über Sorgen, Ängste, Wünsche und Hoffnungen
Erschienen im Seesener Beobachter am 23.12.2020
Die Schulen sollen offen bleiben, um den Kindern Präsenzunterricht zu ermöglichen, für berufstätige Eltern die Betreuung zu sichern, die „Wirtschaft am Laufen zu halten“, Risikogruppen sollen geschützt werden – aber funktioniert das in der Praxis und wie geht es unseren Grundschulkindern damit, besonders in der Adventszeit?
„Corona hat bei uns schon angeklopft“, berichtet Martina Starke, Schulleiterin der Grundschule Am Schildberg. „Ende November gab es ja ein Hortkind, das positiv getestet wurde. Daraufhin wurde bei uns eine ganze 1. Klasse für zwölf Tage in Quarantäne geschickt. Auch die 13 Hortkinder, die bei uns andere Klassen besuchen, mussten zuhause bleiben. Zum Glück aber hat sich das Virus nicht weiter verbreitet“.
Schwieriger gestaltete sich die Aufrechterhaltung des Unterrichts, denn das Gesundheitsamt hatte auch die drei Lehrkräfte, die das Kind unterrichtet hatten, in Quarantäne geschickt. „Wenn eine Klasse fehlt, aber auch drei Klassenlehrerinnen, wird es schon eng mit der Unterrichtsversorgung. Aber wir haben es geschafft!“
Viel mehr als der reine Unterricht bleibt nicht mehr Das, was Schule fröhlich und lebendig macht, fällt aus. Im Frühling und Sommer der Känguru-Mathematikwettbewerb, das Frühlingsfest, der Vorlesewettbewerb, Bundesjugendspiele, Projektwoche, Vorlesestunden, die Abschiedsfeier der 4. Klassen.
Die Einschulungsfeiern spartanisch: nur zwei Begleiter pro Schulanfänger, Maske tragen, Abstand halten, Kontaktdaten hinterlassen, kein Einschulungsstück. Ein besonderes festliches Ereignis im Leben eines Kindes, wie es die Einschulung sein sollte, war es diesmal nicht.
Kein Schwimmunterricht für die 4. Klassen im ersten Halbjahr! Stattdessen für alle Klassen Sportunterricht, bei dem möglichst wenig Geräte und schon gar nicht Mitschüler berührt werden dürfen.
Musikunterricht ja, aber Singen ist verboten! Auch Tänze, Singspiele, Bewegungsspiele mit Körperkontakt sind nicht erlaubt. Die Musikinstrumente sind gleichmäßig auf die Kohorten (Jahrgänge) verteilt. Dabei ist gerade in unserer Schule Musik ein besonderer Schwerpunkt, die 3b ist unsere „Chorklasse“.
Das Herbstfest entfällt, genauso die Laternenumzüge der 1. Klassen und die Tage des Puppenspiels. Die Bücherausstellung Ende November mit Kinderflohmarkt und die Aufführung einer Kinderoper dürfen nicht stattfinden. Das „Gesunde Frühstück“, im Zwei-Wochen-Rhythmus vom Förderverein angeboten, ist abgesagt. Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte sind verboten.
Die Weihnachtszeit war immer eine besondere Zeit. Montags singen unter dem Weihnachtsbaum im Forum, Plätzchenbacken, Plätzchenduft im Schulgebäude, Weihnachtsfeiern der Klassen und die traditionelle große Weihnachtsfeier mit Beiträgen aller Klassen am letzten Schultag: Alles abgesagt.
Das Ganztagsangebot musste stark eingeschränkt werden, da die Lehrerstunden für den Vormittagsunterricht gebraucht werden. „Immerhin“, so Martina Starke, „können wir montags, dienstags und mittwochs den Kindern ein warmes Mittagessen ermöglichen“.
Immer wieder lüften, Hände waschen und neue Regeln Der Schulhof ist in vier Sektoren aufgeteilt, die im Wochenrhythmus rotierend von den Kohorten (Jahrgängen) genutzt werden. Kinder unterschiedlicher Jahrgänge dürfen nicht zusammen spielen.
Ständig neue Regeln – inzwischen ist es der „4. finale Hygieneplan“ seit Beginn der Corona-Epidemie, der mit den Kindern besprochen werden muss. Durch das Lüften bei eisigen Außentemperaturen wird es kälter. Klassenräume gleichen zunehmend Zeltlagern: überall Jacken und Decken als Schutz vor der Kälte, die beim häufigen Lüften in den Klassenraum eindringt. Täglich drei bis sechsmal Händewaschen, das hinterlässt Spuren: gerötete rissige Haut, die gut gepflegt werden muss.
Die meisten Kinder haben die lange Homeschooling-Zeit im Frühjahr als sehr belastend erlebt. Gestresste Eltern, die teilweise um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, allein arbeiten müssen, wenig Sozialkontakte, geschlossene Spielplätze – das soll sich nicht wiederholen! Über neun Monate herrscht nun Ausnahmezustand in den Schulen, jetzt der harte Lockdown – wie gehen die Kinder damit um?
Kinder des 4. Jahrgangs haben ihre Sorgen und Ängste, aber auch ihre Wünsche und ihren Ärger zu Papier gebracht. „Die Kinder sind tapfer, sie zeigen viel Einsicht in die Notwendigkeit der Regeln, aber sie sind auch traurig“, meint Martina Starke. Schule ist weitgehend reduziert auf pures Lernen, mit Abstand, Lüften und häufigem Händewaschen. Hilfsbereit sein, dem Nachbarn das runtergefallene Radiergummi aufheben und geben oder gar einen Stift ausleihen? Das ist unerwünscht, denn jedes Kind soll nur die eigenen Sachen anfassen. Was tun, wenn der Reißverschluss eines Anoraks klemmt oder der Schnürsenkel sich verknotet hat? Die Lehrerin darf eigentlich nicht helfen, sie soll ja 1,50 Meter Abstand halten und schon gar nicht ein Kind oder dessen Sachen berühren.
„Ab dem 14. Dezember konnten die Eltern ihr Kind von Präsenzunterricht abmelden und stattdessen ins Homeschooling gehen“, berichtet die Schulleiterin. „Für die meisten unserer 202 Kinder haben die Eltern dieses Angebot angenommen. Die Lerngruppen sind nun kleiner geworden, am 18. Dezember wurden nur noch 36 Kinder im Präsenzunterricht beschult. Nun können wir nur hoffen, dass die härteren Maßnahmen und die Impfung Wirkung zeigen und Schule sich im Jahr 2021 normalisiert“.
Leider gab es dann am letzten Unterrichtstag vor den Weihnachtsferien noch eine böse Überraschung: Ein Kind war positiv getestet worden. Daraufhin wurden dessen Lerngruppe und Lehrkräfte in Quarantäne geschickt. Über Weihnachten in Quarantäne – das wünscht sich niemand!
Text und Fotos: Christine Usedom